Nicht zuletzt konnte man anhand eines digitalen Kataloges jede Einzelheit des Demonstrationsraumes isolieren und dann immer wieder in neue Zusammenhänge bringen. Ein Beispiel aus der konzeptuellen Praxis von Studierenden in Verbindung mit Jugendlichen aus einem Leipziger Stadtteil soll die hier angestellten Überlegungen abrunden. Auch hier geht es um Farbe. Nicht nur der installierte Raum wird als Demonstrationsraum begriffen, sondern Farbe wird hier zum direkten Mittel der Demonstration. Was kann Farbe als ein solches Mittel? Sie kann u. a. – unter Verzicht auf ihre Funktion zur Darstellung von Gegenständen und Erscheinungen der realen Wirklichkeit – verschiedene Verweis- und Transferfunktionen ausüben: z. B. Unanschauliches anschaulich machen, allgemeine Einsichten und Erfahrungen konkret erscheinen lassen. Sie kann aber umgekehrt auch Konkretes verallgemeinern und universell erweitern; sie kann Unsichtbares sichtbar werden lassen, aber auch Sichtbares anders zugänglich machen …
Im Demonstrationsraum von Isabelle Grubert und Anna-Maria Sever (2013, S. 64 f.) vermittelt Farbe zwischen den »trockenen« Fakten einer Befragung von Schülerinnen und Schülern der in der Leipziger Neustadt befindlichen 16. Mittelschule zur sozialen Identität im Stadtraum und den dahinter steckenden subjektiven Empfindungen. Sie liefert aber zugleich den Impuls an alle, die sich in diesem Raum bewegen, ihn im wahrsten wie im übertragenen Sinne als Spielraum zu begreifen und auf eigene Weise identitätsbildend zu wirken. Die rein statistischen Ergebnisse der Befragung wurden zuvor mit Farbe anschaulich gemacht. Die Felder der in Raster unterteilten Wände des Raumes nahmen einerseits die statistisch ermittelten Farbwerte auf, andererseits hatte die Besucher, vorzugsweise Jugendliche aus dem Stadtteil, die Möglichkeit, ihre selbst empfundenen Farben der Neustadt sichtbar werden zu lassen und damit in das vorhandene System einzugreifen.
Vgl. Schulz, Frank (2014): Demonstrationsräume als Medium und Produkt komplexer kunstpädagogischer Aktivitäten. In: Barbara Lutz-Sterzenbach / Maria Peters / Frank Schulz (Hrsg.): Bild und Bildung. Praxis, Reflexion, Wissen im Kontext von Kunst und Medien. München, S. 333 ff.
Quelle:
Grubert, Isabelle / Sever, Eva Anna-Maria: Farben in der Neustadt. Mit Farben messen, in: KUNST+UNTERRICHT 377 / 378 / 2013, S. 64–65.
PDF – Isabell Grubert / Anna-Maria Sever (2013) »Farben der Neustadt – Mit Farben messen«